WENN MAN ERKENNT, WAS ALLES IM INNEREN EINES SUCHENDEN PASSIERT, DANN ENTSTEHT EIN TIEFES MITGEFÜHL.Eine Feier für die spirituell Blinden, die beschlossen haben, nicht zu sehen.
Alle, die sich auf einem spirituellen Weg der Heilung, der Transzendenz oder der Transformation befinden, gehen einem Wendepunkt entgegen, an dem nichts und niemand uns helfen kann. Es ist eine Meisterleistung, an diesen Punkt zu gelangen, denn man muss einen großen und gefährlichen Fluss überqueren. Eine Zeit lang begehen wir diesen Weg anhand einer Methode, einer Technik oder durch die Begleitung eines Führers. Alles, was uns ermöglicht, diesen Fluss zu überqueren, ist von vorübergehendem und begrenztem Nutzen. Das Mittel, das uns zu dem führt, wonach wir so sehr suchen, stellt im Befreiungsprozess die größte Schwierigkeit dar. Dies ist etwas, das wir verstehen müssen, damit wir diesen wunderbaren Punkt erfolgreich erreichen können.
DAS MITTEL IST EIN MITTEL, NICHT DAS ZIEL Der Suchprozess kann als eine Reise, bei der eine Flussüberquerung erforderlich ist, definiert werden. Die Brücke, die uns auf die andere Seite führt, kann zu einem permanenten Standort werden, zu einer Haltestelle, von der wir uns nicht mehr befreien können. Sie kann zu einem endgültigen Aufenthaltsort werden, auch wenn es eigentlich ein Durchgangsort ist. Auf diese Weise kann es passieren, dass wir im Prozess stecken bleiben, ohne vorwärts gehen zu können. Die Brücke ist ein Durchgangsort, kein Ort, um ein Haus zu bauen und dort zu wohnen. Wir können abhängig werden von den Techniken, der Methode, dem Meister und den Mitteln, durch welche wir Fortschritte machen konnten. Das Mittel ist nur ein Mittel, es ist nicht das Ziel. Wir können von der Effektivität einer Technik abhängig werden, wir können als Sklaven der Effektivität einer Methode oder der Liebe eines Meisters enden und aufgrund dieser süchtig machenden Bindung verpassen wir die Möglichkeit, die andere Seite zu erreichen. Liebe, Meditation, Yoga, Tantra, visionäre entheogene Erfahrungen sind Brücken, welche uns zum Mysterium führen, uns aber nicht bis ins Innere davon befördern können. Sie helfen uns, uns anzunähern und an den Punkt zu gelangen, an dem wir den Sprung machen müssen, aber die Werkzeuge und Techniken können den Sprung nicht für uns machen. Wenn wir das Mittel, welches uns ans andere Ufer gebracht hat, nicht hinter uns lassen können, bleiben wir am Eingang der Tür, aber treten nicht ein. Die Tür erreicht zu haben, bedeutet nicht, eingetreten zu sein, an der Schwelle des Mysteriums zu stehen, bedeutet nicht, den Tempel betreten zu haben. Zu diesem Zeitpunkt muss jede Methode vergessen und aufgegeben werden, genau zum richtigen Zeitpunkt, weder vorher noch nachher, denn wenn irgendeine Art von externer Verbindung oder Abhängigkeit erhalten bleibt, wird es nicht möglich sein, dorthin zu gelangen, wo unsere Seele hinwill. Buddha sprach über dieses Thema, er sagte, dass jede Methode wie ein Floß oder ein Boot ist, man kann es verwenden, um den Fluss zu überqueren, um zum anderen Ufer zu gelangen, aber dann muss man es dort lassen, es vergessen, es zurücklassen, um seinen Weg fortzusetzen. Ich empfehle sogar, das Boot in einem Abschiedsfeuer zu verbrennen, damit es nie wieder benutzt werden kann. Die meisten Menschen, die eine Methode nutzen, bleiben darin gefangen und werden abhängig von Techniken, Mitteln, Therapien, Heilmitteln, Philosophien, Religionen oder Meistern. Süchtig nach etwas Äußerem, das ihnen Sicherheit gibt und ihnen ermöglicht, in der Bequemlichkeit der Passivität und Gleichgültigkeit weiterzumachen. Viele andere Menschen steigen bereits vom Floß, bevor sie das andere Ufer erreichen und ertrinken in den Tiefen des Lebens, in den Wellen komplexer Situationen. Zu früh vom Boot zu steigen bedeutet, sich von der Methode zu lösen, bevor man an dem Punkt angelangt ist, an dem man springen kann. Die Selbsttäuschung spielt ein böses Spiel mit uns, wenn wir glauben, die andere Seite erreicht zu haben, obwohl wir in Wirklichkeit noch nicht einmal den Fluss überquert haben. Ich beziehe mich auf die Worte des Sufi Sanai, der in seinem Buch ‚DER UMMAUERTE GARTEN DER WAHRHEIT‘ genau über diese Situation schreibt: “Ich befürchte, dass Ignoranz und Dummheit uns auf der Brücke festsitzen lassen können.” Ignoranz und Dummheit klingen zusammen wie Taubheit oder Unaufmerksamkeit, oder wie Sanai auch sagte: “Blindheit im Angesicht des Offensichtlichen.” Das Leben und dessen Umstände zeigen uns auf so viele Arten den Weg, aber wenn wir dies nicht sehen wollen, werden wir dumm und ignorant, mit anderen Worten: Freiwillig unbewusste Wesen, die sich dafür entscheiden, ihre Konditionierungen zu respektieren, die sich dafür entscheiden, sich nicht zu ergeben und weiterhin Widerstand gegen die Transformation zu leisten, Menschen, die es nicht geschafft haben, die Abhängigkeit in Bezug auf die Loyalität zu ihrem eigenen geringen Selbstwert zu überwinden. Und wenn die Abhängigkeit in Bezug auf die Nichtwertschätzung von sich selbst nicht überwunden wird, entsteht eine weitere Abhängigkeit in Bezug auf die Methode, von der man glaubt, dass sie einem heilen wird. Aber da die Methode diesen Personen auch nicht das gibt, wonach sie suchen, sind sie enttäuscht, bevor sie das andere Ufer erreichen. Sich frühzeitig von der Methode zu lösen, bedeutet Abhängigkeit in Bezug auf die Vergangenheit, das suizidale Unbewusste, das Misstrauen. Sich nicht von der Methode zu lösen, wenn sie dich ans andere Ufer geführt hat, bedeutet Abhängigkeit in Bezug auf die Bequemlichkeit, das Bekannte und das Sichere. Weder vorher noch nachher, es ist ein exakter Moment.
DIE MACHT DER NICHT-METHODE Es ist sehr wertvoll, eine Methode zu nutzen, die von Anfang an verkündet: “Ich werde dich nicht für immer begleiten. Ich werde dich nicht heilen oder bewirken, dass du die Transzendenz erreichst. Ich habe nicht die Macht, dein Leben zu transformieren. Ich kann nicht etwas für dich tun, was nur du selbst tun kannst.” Die Methode, die ich erschaffen habe, weist diese besonderen Merkmale einer Nicht-Methode auf. Daher betone ich, dass meine Methode NICHT FUNKTIONIERT, sodass du bereits vor Beginn deiner Reise beginnst, dich davon zu befreien. Ich möchte von Anfang an die Freiheit von jeglichen Abhängigkeiten unterstützen. Aber ich kann dir auch versichern, dass du nirgendwohin gelangen wirst und dich irgendwo auf dem Weg verlieren wirst, wenn du dich nicht dieser Methode oder einem anderen Floß hingibst, welches dich näher an das Mysterium heranführt. Ohne Ergebung und Hingabe ist auf diesem Weg des Erwachens nichts möglich. Und auch wenn du stecken geblieben bist, kann es noch eine Lösung geben, wenn du dies jetzt erkennst, dann bist du unterwegs zu diesem Endpunkt, du erkennst, was du bereits zurückgelegt hast und konzentrierst dich auf den Weg, den du noch zurücklegen musst, um den Wendepunkt zu erreichen, von dem aus du den Sprung selbst und für dich selbst machen kannst. Oder besser gesagt, dich und die Lüge, die du repräsentierst, für immer hinter dir zu lassen und als das wiedergeboren zu werden, was du wirklich bist. Der Wiedergewinn des Sehvermögens, um zu erkennen, dass wir vor einer Herausforderung stehen, der sich Millionen von Menschen auf der ganzen Welt stellen. Aus diesem Grund habe ich am Samstag, 10. August 2019, meinen 59. Geburtstag in einem Haus in Marbella am Mittelmeer gefeiert, mit einem Abendessen zu Ehren der Blindheit und all derer, die blind sind, egal ob sie anwesend sind oder nicht, egal ob sie sich ihrer Blindheit bewusst sind oder nicht, weil ich das Gefühl habe, dass die Arbeit der spirituell Blinden bewundernswert ist, ein wahres Wunder, das bei mir Bewunderung auslöst. Wie kann man im Angesicht einer so offensichtlichen und deutlichen Manifestation der Wahrheit eine so ausgeprägte Blindheit aufrechterhalten? Es ist eine Meisterleistung, die eine Feier verdient. Die Macht des Unbewussten beherrscht die Mehrheit der Menschen durch die Brille, die sie ihnen aufgesetzt hat, damit sie die Wahrheit nicht sehen. Das Feiern dieser falschen Macht ist ein Weg, die Lüge zu konfrontieren und anzuerkennen, dass sie sehr mächtig ist, aber auch zu erkennen, dass sie im Angesicht der enormen Macht, welche mit der Ankunft des Mysteriums entsteht, nicht aufrechterhalten werden kann.
Alberto Varela |