DIESER TEXT IST EINE ZUSAMMENFASSUNG DER VORHANDENEN FORSCHUNG, VERFASST VON ROSA SANCHIS, PHARMAZEUTIN.

Die Eröffnung neuer Felder in der biomedizinischen Forschung aufgrund einer grossen Vielfalt an Pathologien, die mit Kambó behandelt werden könnten.

Die gallertartigen Sekrete, die von den Hautdrüsen vieler Arten der Anura-Familie (griechisch: ohne Schwanz) produziert werden, enthalten eine grosse Anzahl an biologisch aktiven Verbindungen, oft in hoher Konzentration. Diese giftigen Hautabsonderungen sind Teil des angeborenen Immunsystems dieser Spezies, denn sie dienen als Abwehrmechanismus dieser Wirbeltiere gegen alle Arten von Hautinfektionen und gegen natürliche Fressfeinde in ihrem Lebensraum. Daher stellt die Sekretion dieser Gifte Teil der Evolution der Spezies dar. Die Sekretion wird durch eine Stimulation des sympathischen Nervensystems der Anura erzeugt, das heisst als Reaktion aufgrund von Gewebeschäden, einer Bedrohung durch einen beliebigen Fressfeind oder aufgrund von systemischem Stress. Die Mehrheit dieser Moleküle sind bioaktive Polypeptide, bestehend aus Ketten von 4-50 Aminosäuren, die in Bezug auf eine grosse Vielfalt an Pathologien neue Gebiete in der biomedizinischen Forschung eröffnen.

Eines der Sekrete mit den höchsten Konzentrationen dieser Biopeptide wird Kambó, ‘Campu’, ‘Sapo’ oder “Urwaldimpfstoff” genannt. Erzeugt von einem zweifarbigen Baumfrosch mit dem taxonomischen Namen “Phyllomedusa bicolor” oder “Affenfrosch”, welcher in einigen Zonen des Amazonas-Regenwaldes lebt, insbesondere in Kolumbien und im Grenzgebiet von Peru und Brasilien.

“Kambó” oder “Sapo” wird von den indigenen Stämmen der westlichen Amazonasregion seit mehr als 2000 Jahren als “traditionelles Heilmittel” angesehen. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts verursachte die grosse Dürre im Nordosten Südamerikas eine grosse Migration der Bevölkerung in die westlichen Urwaldgebiete, um dort in Kautschukfabriken zu arbeiten. Dies begünstigte die Wiederentdeckung von “Kambó” und dessen Verwendung durch nicht-indigene Bevölkerungsgruppen ausserhalb der einheimischen Stammeskultur des Regenwaldes. Die besondere Wirkung von Kambó war der Auslöser für Neugier und wissenschaftliche Studien, sowohl zur Charakterisierung der Zusammensetzung, als auch zur Bestimmung der bioaktiven Eigenschaften.

Studien über indigene Stämme, die Kambó verwenden, begannen in den 30er Jahren. Aber es war der Anthropologe und Journalist Peter Gorman, etwa im Jahr 1980, der in seinem Artikel “Making Magic” seine Erfahrung mit einer Kambó Behandlung dokumentierte und Proben des Sekrets der Phyllomedusa bicolor an westliche Universitäten schickte. Er hatte Interesse an der Erforschung von Kambó und setzte sich für die Registrierung der ersten Patente auf die bioaktiven Peptide von Kambó ein.

Das erste bioaktive Peptid erzeugt von einer Phyllomedusa wurde 1966 entdeckt und seitdem sind die Entdeckungen dieser Biopeptide bis heute exponentiell angestiegen. Die wissenschaftliche Erforschung von Kambó begann 1980 dank dem italienischen Pharmakologen Vittorio Erspamer von der Universität Rom. Er wurde zweimal für den Nobelpreis nominiert und ist der erste Wissenschaftler, der Kambó im Labor analysierte und zur Schlussfolgerung gelangte, dass Kambó einen unter den Amphibien einzigartigen, fantastischen chemischen Cocktail mit potentiellen medizinischen Anwendungen” enthält.

Kambó wird mittels kleiner Verbrennungen auf der Haut verabreicht und löst sofort eine Vielzahl an positiven chemischen Reaktionen im menschlichen Körper aus. Kambó hat, im Gegensatz zu vielen anderen natürlichen und pharmazeutischen Substanzen, die Fähigkeit die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und seine Wirkung auch auf der Ebene des Gehirns zu entfalten. Die menschlichen Zellen öffnen sich den nützlichen Eigenschaften von Kambó, anders als bei vielen Substanzen, die vom hochintelligenten Abwehrsystem des Körpers gefiltert und eliminiert werden. In diesem chemischen Cocktail finden sich Peptide, die ähnlichen Aufgaben wie Hormone erfüllen und andere die wichtige zelluläre Prozesse (Lernen, Gedächtnis, Stoffwechsel bestimmter Neurotransmitter) unterstützen. Andere der vorhandenen Peptide haben eine starke Wirkung auf die gastrointestinalen Muskeln, die Magen- und Bauchspeicheldrüsensekrete, die Blutzirkulation und die Stimulation der Nebennierenrinde, der Hypophyse und des reproduktiven Systems. Andere haben eine starke analgetische Kraft und nochmals andere sind in der Lage das Wachstum von Tumorzellen zu hemmen. Es finden sich ebenfalls antimikrobielle, antimykotische, antivirale und antiprotozoische Peptide. Letztere Eigenschaft öffnet eine neue Tür beim Kampf gegen bakterielle Infektionen, welche eine Resistenz gegen momentan verfügbare Antibiotika entwickelt haben, indem man diese Biopeptide mithilfe moderner Nanotechnologien verwendet.

Seit 1966 wurden viele im Kambó Sekret vorhandene Peptide isoliert, charakterisiert und synthetisiert. Als Beweis für ihre medizinischen Eigenschaften gibt es in der pharmazeutischen Welt, hauptsächlich in den USA, mehr als 70 Patente auf Kambó.

Die Hauptfamilien der bis zum jetzigen Zeitpunkt im Kambó Sekret identifizierten bioaktiven Peptide beinhalten:

Phyllomedusine –  wie die Tachykinine (die auch als Neuropeptide wirken) – Erzeugen eine Kontraktion auf Ebene der glatten Muskulatur und steigern die Produktion von Sekreten des gastrointestinalen Trakts (Speicheldrüsen, Magen, Dünn- und Dickdarm, Bauchspeicheldrüse und Gallenblase). Sie sind hauptverantwortlich für die starke Abführ- und Reinigungswirkung, welche die Anwendung von Kambó erzeugt.

Phyllokinine und Phyllomedusine – Beide sind potente Vasodilatatoren, welche die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke sowohl für ihren eigenen Zugang als auch für andere aktive Peptide erhöhen. Innerhalb dieser Familie befinden sich die Medusine, die auch antimikrobielle und antimykotische Eigenschaften haben.

Caeruleine und Sauvagine – Dies sind Peptide mit Ketten von 40 Aminosäuren mit myotropen Eigenschaften auf die glatte Muskulatur, sie erzeugen eine Kontraktion auf Ebene des Darms und der Blase. Sie verursachen eine Blutdrucksenkung begleitet von Tachykardie. Sie stimulieren die Nebennierenrinde und die Hypophyse und tragen zu einer verbesserten Sinneswahrnehmung und höherer Resistenz bei. Beide Peptide besitzen eine starke analgetische Kraft, tragen zur Steigerung die Körperkraft, der Bewältigung körperlicher Schmerzen, Stress und Krankheit bei und reduzieren Erschöpfungssymptome. Im medizinischen Bereich trägt diese Familie von Peptiden zur Verbesserung der Verdauung bei und besitzt analgetische Eigenschaften gegen Schmerzen bei Nierenkoliken, Schmerzen aufgrund peripherer vaskulärer Insuffizienz und Tumorschmerzen.

Dermorphine und Deltorphine – Dies sind kleine Peptide zusammengesetzt aus 7 Aminosäuren. Sie sind selektive Agonisten von Deltaopioid-Rezeptoren, 4000-mal stärker als Morphium und 40-mal stärker als endogene Endorphine.

Adenoreguline – entdeckt in den 90er Jahren durch das Team von John Dalys am National Institute of Health in den USA. Adenoregulin arbeitet im menschlichen Körper mittels Adenosinrezeptoren, einer fundamentalen Komponente von allem menschlichen zellulären Treibstoff. Diese Rezeptoren können eine Zielscheibe für die Behandlung von Depression, Schlaganfall und Krankheiten mit Kognitionsverlust, wie Alzheimer und Parkinson sein.

Antimikrobielle Peptide: Dermaseptine, einschliesslich der Adenoreguline (mit 33 Aminosäuren), Plastizine und Phylloseptine. Sie sind Teil einer Familie mit einem breiten Spektrum an antimikrobiellen Peptiden, welche am Schutz der Haut der Frösche vor mikrobiellen Eindringlingen beteiligt sind. Dies sind die ersten Peptide eines Wirbeltiers, welche über eine tödliche Wirkung auf Fadenpilze verfügen, welche für schwere opportunistische Infektionen verantwortlich sind, die das Syndrom der Immunschwäche und die Verwendung von Immunsuppressiva begleiten. Sie haben auch eine tödliche Wirkung auf ein breites Spektrum an Bakterien (sowohl grampositive wie auch gramnegative), Pilze, Hefen und Protozoen. Mehrere Jahre der Forschung an der Universität von Paris haben gezeigt, dass die Peptide Dermaseptin B2 und B3 bei der Abtötung bestimmter Arten von Krebszellen wirksam sind. Vor kurzem wurden Forschungsarbeiten an der Queens University in Belfast für die innovative Arbeit in Bezug auf Krebs und Kambó mit einem renommierten Preis ausgezeichnet. Die Vorgehensweise besteht in der Hemmung der Angiogenese der Tumorzellen mittels selektiver Zytotoxizität für diese Zellen.

Bradykinine – wie die Phyllokinine und Triptofiline. Dies sind Peptide mit ähnlicher Struktur und Eigenschaften wie das menschliche Bradykinin. Sie sind wichtige Quellen für wissenschaftliche Studien, da sie eine Senkung des Blutdrucks, Vasodilatation und Kontraktion der nicht-vaskulären glatten Muskulatur bewirken. Sie erhöhen zudem die vaskuläre Permeabilität und sind relevant in Bezug auf den Mechanismus des entzündlichen Schmerzes.

Bombesine – Diese Peptide stimulieren durch ihre Wirkung auf die G-Zellen des Magens die Sekretion von Salzsäure, unabhängig vom pH-Wert des Milieus. Sie erhöhen auch die Sekretion der Bauchspeicheldrüse, die myoelektrische Aktivität des Darms und die Kontraktilität der glatten Muskulatur.

Ceruleine – Sie stimulieren die Sekretionen des Magens, der Galle, der Bauchspeicheldrüse und wirken sich auf bestimmte Teile der glatten Muskulatur aus. Sie könnten bei paralytischem Darmverschluss und als diagnostisches Werkzeug bei Dysfunktion der Bauchspeicheldrüse verwendet werden.

Triptofiline – Dies sind Neuropeptide aus 4-14 Aminosäuren, die uns neue Sichtweisen in Bezug auf die Funktionsweise des menschlichen Gehirns eröffnen.

 

Diese Biopeptide haben ein enormes wissenschaftliches Interesse geweckt. Viele von ihnen wurden erfolgreich im Labor synthetisiert und patentiert, jedoch wurde bisher noch keines dieser Moleküle in der klinischen Praxis verwendet. Die Forschung in Bezug auf die Komponenten von Kambó entwickelt sich kontinuierlich weiter, um klinische Anwendungen in der Welt der Medizin und Pharmakologie zu finden und widmet sich auch der Erforschung neuer Wirkmechanismen unserer menschlichen Biologie.

Bereits seit tausenden von Jahren nutzen und profitieren indigene Stämme des Amazonas von diesem chemischen Cocktail, geleitet durch ihre althergebrachten Traditionen, Intuition und Magie. Jetzt ist es an uns, über unsere rationale und wissenschaftliche Kultur herauszuwachsen und zugleich mit ihrer Unterstützung und Begleitung, von diesem Geschenk der Natur zu profitieren und seine Vorteile zu nutzen, jenseits dessen, was uns die Vielzahl der pharmakologischen Experimente in wissenschaftlichen Laboratorien zeigen kann.

 

Rosa Sanchis

Pharmazeutin.
 

 

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