DIE SPANISCHE ZEITUNG „LA VANGUARDIA“ PUBLIZIERT EINEN ARTIKEL ÜBER DIE WISSENSCHAFTLICHE ERFORSCHUNG VON AYAHUASCA.

Jordi Riba ist ein Pharmakologe, der psychoaktive Substanzen erforscht und gerade von der Zeitschrift ‚Rolling Stone‘ in die Liste der 25 Personen, welche die Zukunft der Wissenschaft prägen werden, aufgenommen wurde.

 

Das Sprichwort besagt: Niemand ist Prophet in seinem eigenen Land. Und oft ist dies wahr. Es ist etwas, das Jordi Riba sehr gut kennt. Er ist ein katalanischer Pharmakologe, der gerade von der amerikanischen Zeitschrift Rolling Stone in die Liste der 25 einflussreichsten Personen in der Zukunft der Wissenschaft, aufgenommen wurde. Riba (geb.1968 in Barcelona) geniesst im Ausland grosse Anerkennung. „Ich halte durchschnittlich 10-12 Vorträge pro Jahr in Europa und den USA“, sagt er. Aber hier in Spanien hat seine Forschung bis jetzt keinen so grossen Anklang gefunden. Vielleicht ist es wegen der exotischen Natur der Substanzen, die er erforscht. Dieser Wissenschaftler widmet sich der Pharmakologie des zentralen Nervensystems und den Neurowissenschaften im Allgemeinen. Er hat psychoaktive Substanzen erforscht, welche Veränderungen der Wahrnehmung und der Kognition verursachen, wie Ayahuasca, ein Gebräu, welches die indigene Bevölkerung des Amazonas seit jeher konsumiert. Dank seiner Forschung hat Riba, Leiter des Bereichs Neuropsychopharmakologie am Forschungsinstitut des Hospital Sant Pau, einen Teil des in diesem Getränk verborgenen Potentials enthüllt und will nun diese Erkenntnisse mit der Zeitung La Vanguardia teilen.

Wie fühlt es sich an zu einem der 25 einflussreichsten Menschen in der Zukunft der Wissenschaft gewählt zu werden?

Nun ich bin total überrascht und sprachlos. Es macht mich glücklich zu denken, dass es Leute gibt, die unsere Arbeit anerkennen. Ich arbeite seit 20 Jahren in einem wenig orthodoxen Bereich, der in den letzten Jahren stark gewachsen ist, insbesondere im Ausland. Und dies ist genau ein Aspekt, aufgrund dessen ich mich freue in diese Liste aufgenommen worden zu sein, nämlich dass es vielleicht bedeutet, dass mein Arbeitsgebiet hier in Spanien bekannter wird. Ich muss aber auch sagen, dass es in der Welt der Wissenschaft Millionen Menschen gibt, die besser sind als ich [lacht]. Ich nehme es als eine Anerkennung, ohne mir dadurch wahnsinnige Ansichten in Bezug auf meine Fähigkeiten zu kreieren.

Was für eine Verantwortung, nicht wahr?

Nein, davon muss man sich ein bisschen abschirmen. Als ich vor 20 Jahren hier ankam [im Hospital de la Santa Creu i Sant Pau] und dem damaligen Leiter der Pharmakologie, Doktor Manel Barbanoj, vorschlug, mit der Erforschung von psychoaktiven Substanzen zu beginnen, erschien es ihm interessant, er war eine Person mit einer sehr offenen Denkweise. Aber die Reaktionen, die ich in meinem Umfeld wahrnahm, waren ziemlich skeptisch.

Ihre Studien sind etwas exotisch…

Ja, es ist ein sehr exotisches Gebiet. Wenn man etwas untersucht, das nicht Teil von einem bereits finanzierten Projekt ist, bedeutet dies, dass das erforderliche Engagement hundertmal höher sein wird. Ich verfolgte meinen Weg trotz Skepsis, Zweifel, möglicher Kritik und verschiedener Hindernisse, weil ich verstand, dass das, was ich untersuchen wollte, interessant genug war, um ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken. Aber es bleibt weiterhin eine Verpflichtung mit mir selbst, ich verspüre keine besondere Verantwortung aufgrund der Aufnahme in diese Liste.

Wie kreuzte sich Ihr Weg mit Ayahuasca?

Ich war schon immer an der Biochemie des Gehirns interessiert. Ich kam in Kontakt mit Arbeiten von Anthropologen, die nach Südamerika gereist waren, um Ayahuasca zu untersuchen. Ich las einige der Berichte und knüpfte Kontakte mit den Autoren. Später, Mitte der 90er Jahre, lernte ich durch Zufälle des Lebens verschiedene Personen kennen, die begannen, in Katalonien, besonders in der Umgebung von Barcelona, Ayahuasca Zeremonien zu organisieren. Diese Zeremonien basierten auf verschiedenen Praktiken und Ritualen, die aus Brasilien kamen und beinhalteten, ein Getränk mit psychoaktiven Eigenschaften einzunehmen.

Bereits in den 90er Jahren gab es hier Gruppen, die diese Zeremonien organisierten…

Es gab eine andere Gruppe auf den Balearen, eine andere in Madrid… Ich war beeindruckt von den Motivationsgründen dieser Personen, dafür diese Substanz einzunehmen. Ich erwartete einen auf Vergnügen fokussierten Umgang mit psychoaktiven Substanzen, aber ich stiess auf das Gegenteil.

Was haben Sie dort vorgefunden?

Diese Leute trafen sich alle 15 Tage. Sie berichteten mir über ihre subjektive Erfahrung mit Ayahuasca, dass für sie ein Zustand der Introspektion eintrat, in dem sie eine ganze Reihe von Empfindungen erlebten. Insbesondere die Wiedergewinnung emotionaler Erinnerungen. Das war ihnen sehr wichtig. Ich erkannte, dass diese Erinnerungen, die manchmal in Form von Visionen, ähnlich wie Träume erschienen, diesen Personen halfen, einige Aspekte ihrer Biographie neu zu hinterfragen und zwar ohne das Bewusstsein zu verlieren, dass dies durch das, was sie eingenommen hatten, hervorgebracht wurde.

Interessant.

Diese Personen erzählten, dass es ihnen half, konfliktive Situationen und Traumata, zu überwinden, welche sie im Verlauf ihres Lebens erlebt hatten. Zwanzig Jahre später ist Ayahuasca extrem populär geworden. Einige der Personen, die an diesem Ritual teilnehmen, sind Menschen, die an posttraumatischem Stress leiden, wie Kriegsveteranen aus den USA, welche in Afghanistan oder im Irak gekämpft haben und bis jetzt noch nichts gefunden haben, das ihnen hilft. Sie leiden weiterhin unter intrusiven Erinnerungen und verschiedensten lähmenden Symptomen. Dies ist die neueste Bewegung.

Sie haben mir über die 90er Jahre und über die Gegenwart erzählt. Aber was passierte in der Zeitspanne dazwischen? Welche Art von Leuten haben dieses Getränk konsumiert?

Menschen, die ernsthafte Probleme mit der Abhängigkeit von Kokain und Heroin hatten, schafften es, diese Art des Konsums nach einem Zeitraum mit ungefähr fünf bis zehn Ayahuasca Einnahmen, hinter sich zu lassen. Danach beschlossen sie ihren bisherigen selbstzerstörerischen Weg völlig zu verlassen.

Es klingt erstaunlich.

Wenn ich diese Geschichten höre, denke ich, dass das, was ich tue, wirklich jemanden helfen kann. Durch mein Vorhaben zu verstehen, was der Wirkungsmechanismus hinter all dem ist, kann ich die wissenschaftliche Gemeinschaft darauf hinweisen, dass man dieser Frage vielleicht Aufmerksamkeit schenken sollte. Als ich begann, wurde diesen Substanzen wenig Aufmerksamkeit geschenkt und genau dieses unbekannte Terrain machte es für mich sehr attraktiv. Wenn man den Geist eines Forschers hat, ist es genau das, was man gerne tut.

Jetzt ist das Interesse grösser?

Die Türen öffnen sich in anderen Ländern, wie England und den USA. Universitäten und Forschungszentren von höchstem Prestige erforschen analoge Substanzen. Ich selbst erforsche Ayahuasca. Der enthaltene Wirkstoff, welcher die Visionen verursacht, heisst Dimethyltryptamin (DMT), aber es gibt andere Studien, die mit Psilocybin gemacht wurden, und auch mit MDMA, dem Wirkstoff von Ecstasy. Man erkennt mehr und mehr, dass es eine ganze Reihe von Substanzen mit sehr schlechtem Ruf gibt, welche, wenn sie in einem geeigneten Kontext – mit einem konkreten Ziel und einer gut ausgewählten Patientengruppe – angewendet werden, positive Auswirkungen haben können.

Und wo liegt Ihrer Meinung nach der Wendepunkt, die Trendwende?

In der Entdeckung eines Betäubungsmittels namens Ketamin vor etwa zehn Jahren. Ketamin verursacht bei subanästhetischen Dosen sehr intensive Wahrnehmungsveränderungen. Eine Gruppe von Psychiatern in den USA erkannte, dass es bei Abgabe in bestimmten Dosen ein starkes Antidepressivum war, das sehr schnell wirkte. Und jetzt gibt es einen Boom in Bezug auf die Erforschung dieser Art von schnell wirkenden Antidepressiva. Die schnelle Wirkung entsteht aufgrund von Mechanismen, die sich sehr von denen unterscheiden, die in herkömmlichen Medikamenten verwendet werden.

Ich verstehe.

Bei herkömmlichen Antidepressiva dauert es zwischen drei und vier Wochen, bis man beginnt eine Verbesserung der Symptome festzustellen. Mit Ayahuasca wurden, im Rahmen einer Studie, die wir in Brasilien durchgeführt haben, wenige Stunden nach der Verabreichung einer Einzeldosis Verbesserungen in der Symptomatik beobachtet, und die Wirkung blieb für drei Wochen erhalten.

Überraschend.

Diese Ergebnisse wurden im Fall von Ketamin mit einem systematischen Vorgehen erzielt, und dies hat den Geist vieler Menschen geöffnet. Wir beobachten, dass etwas was als Partydroge für „Raves“ stigmatisiert wurde, bei einigen Patienten funktioniert. Im Fall der Depressionen besteht das Problem, dass es einen sehr hohen Prozentsatz von Patienten gibt, bei deinen kein Medikament wirklich hilft. Wir sprechen über Patienten, bei denen sogar Elektrokonvulsionstherapie, das heisst Elektroschocks, nicht funktioniert hat.

Und wie wirkt es auf Gehirnebene?

Es geht hier um ein ziemlich komplexes Präparat. Es ist ein Aufguss, ein Tee, der hauptsächlich aus einer Liane mit dem Namen Ayahuasca gewonnen wird und dem Getränk seinen Namen gibt. Sie wächst in der oberen Amazonasregion (Bolivien, Venezuela, der westlichste Teil von Brasilien, Peru und Ecuador). Diese Liane enthält eine Reihe von Wirkstoffen, von denen wir nun wissen, dass sie sehr interessante Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem haben und nicht für die Visionen verantwortlich sind. Das Herstellungsverfahren besteht darin, die Liane zu zerstampfen und zusammen mit den Blättern einer anderen Pflanze einen Aufguss zu machen. Diese Blätter enthalten eine Verbindung, genannt DMT, welches einem anderem Psychodelikum, Psilocybin, strukturell sehr ähnlich ist.

Erzählen sie weiter.

Psilocybin kann oral eingenommen werden, es wird nicht abgebaut und kann absorbiert werden. Aber DMT, sogar in hohen Dosen, wird vollständig abgebaut und erreicht das Blut nicht, wenn es alleine eingenommen wird und hat dadurch auch keine Wirkung. Das Interessante in diesem Fall ist, dass die Wirkstoffe der Liane den Abbau von DMT blockieren. Und man fragt sich, wie es sein kann, dass die Bewohner dieser Gegend des Planeten, ein Ort mit einer unvorstellbar grossen pflanzlichen Vielfalt, beschlossen, diese Liane mit den Blättern einer anderen Pflanze zu kombinieren.

Spannend.

Die Liane ist sehr robust, sie ist wie ein Stamm. Sie zu zerbrechen, zu zerstampfen und den Aufguss zu machen ist eine immense Arbeit, das macht man nicht zufällig. Niemand weiss, wie sie zur Schlussfolgerung gelangt sind, dass diese Kombination funktioniert. Diese Kombination ist nun in Europa und den USA angekommen, aber es gibt andere Gruppen, die andere Pflanzen hinzufügen, welche andere psychoaktive Substanzen enthalten und deren Konsum ein höheres Risiko für die Gesundheit darstellen könnte.

Man muss vorsichtig sein.

Viele Leute, die eine Erfahrung mit Ayahuasca machen wollen, reisen in den peruanischen Amazonas. Sie gehen mit der ersten Person mit, die ihnen sagt, dass sie ein Schamane ist und sie trinken, was ihnen angeboten wird, ohne zu wissen, was sie einnehmen. Es könnte zum Beispiel Skopolamin (im Volksmund bekannt als Burundanga) enthalten, eine Substanz, die lebensgefährlich sein kann.

Lass uns zu deiner Forschung zurückkehren …

Wir haben Neuroimaging-Studien durchgeführt, und was wir gesehen haben, ist, dass unter Einfluss von Ayahuasca eine Aktivierung der Zonen des Gehirns stattfindet, die an der Verarbeitung von Emotionen und dem Gedächtnis beteiligt sind und von Bereichen welche sich an der Grenze zwischen kognitiven und emotionalen Aspekten befinden. Es gibt auch eine gewisse Aktivierung der visuellen Bereiche, obwohl dies nicht sehr ausgeprägt ist, weshalb wir nicht sicher sind, ob dieses Phänomen für die Visionen verantwortlich ist.

Ich verstehe.

Das Endergebnis ist, dass die Person auf abrupte Weise Visionen erlebt, die normalerweise wichtige emotionale Belastungen enthalten. Es gibt Menschen, die zum Beispiel eine Beziehung mit jemandem wiedererleben, der in ihrem Leben wichtig war. Die Erfahrung ist ziemlich intensiv und kann überwältigend sein. Wenn du eine Session von aussen beobachtest, siehst du die Person mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl sitzen. Aber nach einer Weile, kann es sein, dass sie plötzlich zu weinen beginnt.

Wie lange kann diese Wirkung dauern?

In der Regel beginnen die Effekte der Einnahme einer Dosis nach etwa 45 Minuten, es dauert ziemlich lange. Ab diesem Zeitpunkt beginnt es graduell und erreicht eine maximale Wirkung nach ungefähr anderthalb bis zwei Stunden. Dann beginnt die Wirkung sich zu vermindern und innerhalb von vier bis sechs Stunden nach der Einnahme sind die Effekte vollständig verschwunden. Es hängt auch von der Menge ab, die eingenommen wurde.

Ist der Umgang mit Ayahuasca im Allgemeinen verantwortungsvoll?

Es verursacht ein leichtes Schwindelgefühl, zu sehen wie der Konsum von Ayahuasca banalisiert wird. Man sieht Leute die Ayahuasca Sessionen an verschiedensten Orten organisieren oder wie es in der „New York Times“ als eine Trenderfahrung beschrieben wird… Ich verstehe, dass es Leute gibt, die an diesen Sessionen teilnehmen und denken, dass sie eine schöne, vergnügliche Zeit haben werden. Aber es ist ganz und gar nicht vergnüglich. Die Personen sagen nach der Erfahrung „Wow, wow, wow!“.

Es hinterlässt Spuren…

Seit einiger Zeit evaluiere ich Personen, die Ayahuasca konsumiert haben und sie erklären mir, dass sie glauben, dass sie nach den erlebten Erfahrungen ein Wissen erlangen, das für ihr Leben nützlich ist, aber dass sie manchmal auch inmitten der Session denken: „Was mache ich hier, obwohl ich weiss was kommen wird?“ Jeder sagt dir, dass es keine Freizeitdroge ist, ganz im Gegenteil. Wenn du vor deinen Problemen davonlaufen willst, ist Ayahuasca zu konsumieren das Letzte, was du tun solltest, weil es dir deine Probleme vor Augen hält und du sie wiedererlebst, oftmals auf schmerzhafte Art und Weise.

Wieso ist es ganz und gar keine Freizeitdroge?

Ayahuasca hat eine Reihe von Eigenschaften, welche die Erfahrung unangenehm machen. In der üblichen Form hat es einen schrecklichen Geschmack, riecht schlecht, erzeugt ein brennendes Gefühl im Magen und praktisch sofortige Übelkeit im Moment der Einnahme. Darüber hinaus ist es durchaus üblich, dass die Person, nachdem sie es genommen hat, erbricht. Es hat also wirklich nichts Vergnügliches. Wenn man da noch dazurechnet, dass die Erfahrungen emotional und schmerzhaft sein können…. Dies ist für mich eine Sicherheitsschranke.

In welchem Sinne?

Ich mache Studien mit Patienten, die Suchtprobleme haben und die Leute, die mit ihnen arbeiten, sagen mir: „Willst du ernsthaft mit jemandem der Suchtprobleme hat ein Experiment durchführen, indem du ihm etwas gibst, was einen starken psychotropen Wirkstoff enthält, der Missbrauchspotenzial haben könnte?“ Ich versichere allen, dass niemand Ayahuasca zum Vergnügen nehmen würde, 100% garantiert.

Das sind gute Nachrichten …

Eine Sache, die wir kürzlich entdeckt haben, ist, dass die Verbindungen aus der Liane, von denen angenommen wurde, dass sie nur dazu beitragen, dass DMT nicht abgebaut wird, ziemlich interessante biologische Wirkungen haben. Im erwachsenen Gehirn von Säugetieren gibt es eine Reihe von Stammzellnischen, die neue Neuronen produzieren. Dieses Phänomen wurde nicht besonders beachtet, da die Produktionsrate wirklich niedrig ist. Nun haben wir erkannt, dass zwei der in der Liane vorhandenen Verbindungen, die Beta-Carboline, sehr starke neurogene Wirkungen haben.

Unterstützen sie die Produktion von Neuronen?

Sie stimulieren die Proliferation der Anzahl dieser Stammzellen und ihre Migration, um sich in bereits existierende Gehirnschaltkreise zu integrieren, wo sie in funktionelle Neuronen umgewandelt werden. Diese drei Prozesse werden durch diese beiden Verbindungen aus der Liane stimuliert. Dies sind die Schlussfolgerungen eines Artikels, den wir gerade veröffentlicht haben und der alle ziemlich überrascht hat, allen voraus mich selbst.

Das klingt vielversprechend.

Wenn ich über die mir erzählten subjektiven Erfahrungen von Menschen berichte, die tief in Depressionen oder Abhängigkeiten versunken waren und dies aufgrund des Konsums von Ayahuasca zurücklassen konnten und eine Lebensveränderung vollzogen haben, dann stosse ich auf viele skeptische Gesichtsausdrücke. Aber wenn man diese Verbindungen biologisch testet und beobachtet, dass sie sich genauso verhalten wie klinisch funktionierende Antidepressiva, dann verfügt man über Daten, die leichter übertragbar sind und die von der Gemeinschaft der Neurowissenschaftler besser aufgenommen und akzeptiert werden können.

Es scheint, dass Ayahuasca viel Potenzial hat.

Es ist sehr klar, dass es eine Wirkung auf biologischer Ebene erzeugt. Wir haben durch Studien der funktionellen Magnetresonanz (das heisst, das Beobachten der Gehirnstruktur und Gehirnfunktion) auch festgestellt, dass 24 Stunden nach dem Konsum von Ayahuasca eine Abnahme der Aktivität einer Zone des Gehirns erfolgt, nämlich im medialen Bereich des Parietallappens, welcher direkt mit der intimen Wahrnehmung des eigenen Selbst verbunden ist. Bei pathologischen Zuständen, in denen depressive Symptome auftreten können, ist dieser Bereich in einem Zustand der Hyperaktivität, und diese Hyperaktivität steht in direktem Zusammenhang mit obsessiven und negativen Gedanken.

Ich verstehe.

Wenn wir uns mit anderen Menschenaffen (Gorillas, Schimpansen, Bonobos) vergleichen, ist eines der Dinge, die uns von ihnen unterscheiden, eine grosse Erweiterung dieses medialen Bereichs des Parietallappens. Es gib immer mehr Hinweise dafür, dass dieser Teil des Gehirns möglicherweise mit den Prozessen des Bewusstseins des eigenen Selbst verbunden ist. Ein spezifischer Zustand dieser Zone scheint mit negativen Gedanken zu korrelieren. Wir haben festgestellt, dass nach dem Verschwinden der akuten Effekte von Ayahuasca eine Deaktivierung dieses Bereichs stattfindet.

Interessant.

Auf psychologischer Ebene haben wir beobachtet, dass nach den akuten Auswirkungen von Ayahuasca, eine Verminderung der konstanten negativen Selbstevaluation eintritt, die einige Personen machen. Das ist ein Defizit, das meine Kollegen in der Psychiatrie bei vielen Patienten unabhängig von ihrer Diagnose beobachten.

Ich sehe, dass diese Substanz viele Anwendungsbereiche hat.

Kollegen, die Menschen mit Suchtproblemen behandeln, erzählen mir, dass es zur Behandlung von z.B. Kokainsucht derzeit nichts gibt. Es ist nicht so, dass es nichts gibt, was funktioniert, sondern dass sie diesen Personen nichts geben können. Alles ist symptomatisch: Wenn der Patient ängstlich ist, dann werden ihm Benzodiazepine abgegeben, wenn er psychotische Symptome hat, dann werden ihm Antipsychotika verschrieben, man gibt ihnen auch Medikamente, die plötzlichen Stimmungsschwankungen ausgleichen… Wir haben eine Studie mit Menschen durchgeführt, bei denen ausschliesslich Kokainsucht diagnostiziert wurde und stellten Veränderungen in deren Gehirnstruktur fest.

Veränderungen welcher Art?

Es geschah eine Verstärkung der Verknüpfung und des Volumens der Bereiche des Gehirns, die ständig nach Befriedigung suchen. Zur gleichen Zeit beobachteten wir, dass die Bereiche des Gehirns deaktiviert wurden, die helfen, eine Situation einzuschätzen und vor möglichen Gefahren warnen. Aufgrund unserer Beobachtungen überrascht es mich nicht, dass es für diese Personen extrem schwierig ist, ihre Sucht aufzugeben, es bestehen strukturelle Veränderungen, ihr gesamtes Gehirn wurde neu verknüpft.

Erstaunlich.

Dies sind sehr problematische Situationen. Aber wenn ich parallel dazu sehe, dass es Menschen gibt, die mir erzählen, dass sie es dank Ayahuasca geschafft haben, ihre Süchte aufzugeben, dann empfinde ich, dass ich die Pflicht habe es zu untersuchen, trotz dem Stigma, dass es von indigenen Völkern verwendet wird oder dem Stigma, dass es psychoaktiv, psychodelisch, Hippie usw. ist. Denn wenn ich es nicht tue, versage ich in Bezug auf meine Verpflichtung als Forscher. Der Weg, den ich begann, war von 1996 bis 2005 ziemlich einsam, aber dann begannen Studien mit Psilocybin in den USA und zwar an keiner anderen als der besten Schule des Landes im Bereich Medizin, Johns Hopkins University.

Dies ist ein sehr angesehenes Zentrum.

Es gibt einen anderen Psychiater, der dasselbe an der Universität von Kalifornien in Los Angeles (UCLA) tut. Auch die FDA, die nordamerikanische Arzneimittelbehörde, hat MDMA den Status prioritäres Therapiemittel zur Behandlung von posttraumatischem Stress verliehen. Die posttraumatische Belastungsstörung ist in den USA ein enormes Problem. Es gibt auch noch eine andere Gruppe am Imperial College in London, die diese Art von Studien durchführt. Es war auch in den USA, wo die ersten Untersuchungen in Bezug auf die Nutzung von Ketamin für therapeutische Zwecke durchgeführt wurden. Wenn heilige Institutionen wie diese beginnen, diese Art von Forschung zu betreiben, bewirkt dies, dass mehr Leute dir Aufmerksamkeit schenken, wenn du darüber sprichst.

Sie kommentierten vorher, dass einige Verbindungen der Liane die Eigenschaft haben, Neuronen zu erzeugen. Könnte dies in der Praxis bei Krankheiten wie Alzheimer angewendet werden?

Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Wir sind sehr vorsichtig. Die Geschwindigkeit, mit der die Nischen im erwachsenen Gehirn von Säugetieren neue Neuronen produzieren, ist gering. Man kann es stimulieren, aber es besteht schon seit jeher der Zweifel, in welchem Ausmass und ob diese Stimulation dem neuronalen Verlust entgegenwirken könnte, der mit einer neurodegenerativen Krankheit verbunden ist. Wir haben immer noch keine Antwort dafür. Der nächste Schritt, den wir machen wollen, ist, es bei Tierversuchen zu testen. Wir wollen sehen, ob wir kognitive Defizite verhindern oder rückgängig machen können.

Wie werden sie sich fühlen, wenn all ihre durchgeführten Untersuchungen am Ende keine therapeutische Anwendung haben?

Ich begann das alles zu untersuchen, weil ich sehr an den Wirkungsmechanismen interessiert war. Ich bin kein Kliniker, ich bin sehr daran interessiert zu wissen, wie das Gehirn funktioniert und wie es möglich ist, dass anscheinend sehr einfache Substanzen auf so tiefgreifende Weise die Kapazität in der wir Emotionen wahrnehmen und beurteilen, sowie die Wahrnehmung unseres Selbst und unserer Rolle in der Welt, verändern können. Das war mein Hauptinteresse. Ich war der Skeptiker Nummer eins, ob diese Untersuchungen eines Tages therapeutische Anwendung finden könnten. Es war nicht mein Ziel. Aber andere sind dazugekommen und haben gesehen, dass es therapeutische Anwendungen geben könnte und sie mussten mich fast davon überzeugen. In diesem Fall glaube ich, dass das Verhältnis von Risiko und Nutzen völlig gerechtfertigt ist.

Was ist der Nutzen davon zu wissen, wie eine Substanz im Gehirn wirkt, wenn es danach keine therapeutische Anwendung hat?

Die Gesetze von Newton stammen aus dem 17. Jahrhundert und wurden erst 1969 angewendet, um den Mond zu erreichen. Möglicherweise hat Newton sich das gar nie vorgenommen, er tat es, um zu verstehen, wie die Gravitation funktionierte.

Sie forschen also, um den Wissensdurst zu befriedigen…

Ja, im Grunde mache ich es um meinen Wissensdurst zu befriedigen. Man verbringt sehr lange Zeit im emotionalem Elend, aber am Tag, an dem man Ergebnisse erzielt, an diesem Tag fühlt man sich zufrieden.

Ich als Neuling in diesem Bereich finde es schwierig zu verstehen, dass etwas nicht mit dem Ziel der praktischen Anwendung erforscht wird.

Man sucht die praktische Anwendung in Nachhinein. Dies ist der grosse Fehler, der hinsichtlich des wissenschaftlichen Ansatzes gemacht wird. Wenn man Ressourcen für ein Projekt beantragt, wird man nach der Kapazität für einen Übertrag in die Praxis gefragt, danach in welcher Form es einen Nutzen für die Gesellschaft haben wird. Dies ist eine Sichtweise, die man in der Technik anwenden kann, aber keine der grossen medizinischen Entdeckungen wurde aufgrund eines vorher festgelegten Ziels gemacht. Oft wird fälschlicherweise gesagt, dass etwas zufällig entdeckt wurde.

Serendipität.

Bei Fleming infizierte sich eines Tages zufällig eine seiner Bakterienkulturen mit einem Pilz. Er hätte diese Schale nehmen und sagen können: „Sie ist verunreinigt, eine schlechte Probe, ich putze sie und fahre mit dem Experiment fort“. Stattdessen blieb er stehen und sah, dass keine Bakterien in der Nähe des Pilzes waren. Und er fragte sich: „Verhindert dieser Pilz das Wachstum von Bakterien?“ Aber wenn du Fleming 10 Jahre seines Lebens eingesperrt und ihm gesagt hättest: „Du musst das Antibiotikum entdecken“, hätte er nichts gefunden.

Ich verstehe.

Derzeit verstehen faktischen Gewalten das nicht, und sie möchten, dass man bereits im Voraus die Anwendung findet. Aber da fragt man sich: ‘Von wo sind die mächtigsten Pharmaunternehmen? Nun, aus Deutschland und der Schweiz. Und wann haben sie begonnen Medikamente zu produzieren? Zu Beginn des 20. Jahrhunderts.’ Ich begann organische Chemie zu studieren und Reaktionen hatten und haben deutsche Namen. Warum? Weil sie mit Chemie experimentierten, die während des gesamten neunzehnten Jahrhunderts nutzlos war. Sie haben hundert Jahre damit verbracht, zu entdecken, dass das Eine mit dem Anderen so reagierte und dass man dadurch dies erhalten kann. Später im zwanzigsten Jahrhundert waren sie eine pharmazeutische Macht. Aber sie waren ein Jahrhundert lang daran Steine zu zerschlagen.

Etwas, was wir hier in Spanien nicht tun.

In Spanien wollen wir das alles überspringen, und wollen sofort die Anwendung. So zerstört man die Möglichkeit, Dinge zu entdecken. Was sehen wir momentan? Dass viele gezielte Untersuchungen zu nichts geführt haben. Und viele Pharmaunternehmen verlassen den Sektor des zentralen Nervensystems, weil sie Millionen für gezielte Forschung ausgegeben und nichts gefunden haben.

Dies ist also nicht der Weg, den man verfolgen sollte.

Der Typ, der dachte, ‘ich werde depressiven Menschen Ketamin geben’, musste sicherlich gegen ein Stigma kämpfen. ‘Aber das wird doch von den Freaks bei den ‚Raves‘ genommen und sie wollen nun den Leuten diese Droge geben’ wurde zu ihm gesagt. Aber jetzt erscheint dieser Mann in der Zeitschrift ‘Nature’ als grosser Referent. Wenn ich, als ich hier ankam, einige der angewiderten Gesichter ernst genommen hätte, hätte ich nichts getan. Aber man tut es, weil es etwas gibt, das einen motiviert, diesem Pfad zu folgen.

Wie würden Sie Ayahuasca in wenigen Sätzen definieren?

Einen Brunnen an therapeutischem Potenzial, den wir noch tiefgreifender erforschen sollten. Ich würde auch sagen, dass ich gerne mehr Ressourcen für die Forschung hätte, denn auch nach 20 Jahren Forschung bietet mir Ayahuasca immer noch Überraschungen. Ayahuasca ist die Möglichkeit, möglicherweise Medikamente zu entwickeln, die Menschen helfen können, die momentan nichts haben, um ihr Problem zu lösen.

 

 

URSPRÜNGLICHER ARTIKEL DER ZEITUNG „LA VANGUARDIA“

http://www.lavanguardia.com/vida/20171219/433742427184/jordi-riba-huir-problemes-tomar-ayahuasca-ultimo-debes-hacer.html

 

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